Mitochondrien sind vor allem als die Energieproduzenten der Zelle bekannt, aber sie regulieren auch den Stoffwechsel, die Genexpression und das Überleben der Zellen – alles entscheidend für gesundes Altern. Ein wichtiges mitochondriales Protein, Mitofusin 2 (MFN2), ist seit langem für seine Rolle bei der Mitochondrienfusion bekannt. Nun hat eine von Dr. Mafalda Escobar am Institut für Genetik geleitete Studie eine zusätzliche, unerwartete Funktion von MFN2 bei der Aufrechterhaltung der Proteinqualität in Zellen aufgedeckt.
„Wir haben eine verborgene Funktion von MFN2 in der Proteinkontrolle entdeckt“, sagt Dr. Escobar. „Dieses neue Verständnis hilft uns, die bekannte Rolle von MFN2 in den Mitochondrien von seiner Verbindung zur CMT zu trennen und eröffnet neue Behandlungsmöglichkeiten. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung vieler Sponsoren unserer Studie.“
Das Forschungsteam, das mit Partnern aus Deutschland, Frankreich und Italien zusammenarbeitet, fand heraus, dass MFN2 mit dem Proteasom und Chaperonen – zellulären Systemen, die verhindern, dass neu produzierte Proteine toxische Aggregate bilden – interagiert. Weitere Analysen von Hautzellen von CMT-Patienten bestätigten, dass bei einer Mutation von MFN2 diese schützende Funktion verloren geht, was zu schädlicher Proteinansammlung führt.
„Obwohl MFN2 ein führendes ursächliches Gen bei Charcot-Marie-Tooth ist, kodieren die meisten anderen mit der Krankheit verbundenen Gene keine mitochondrialen Proteine“, erklärt Mariana Joaquim, eine der ersten Autorinnen der Studie. „Das macht es weniger überraschend, dass die Verbindung von MFN2 zu CMT unabhängig von seiner primären Funktion in der mitochondrialen Dynamik ist.“
Um die einzigartige Rolle von MFN2 zu verstehen, verglichen die Forscher es mit seinem eng verwandten Gegenstück, MFN1. Während Hunderte von Mutationen in MFN2 mit CMT in Verbindung gebracht werden, wurde MFN1 nicht mit der Krankheit in Verbindung gebracht. Durch die Erzeugung von menschlichen Zelllinien, in denen entweder MFN1 oder MFN2 fehlt, fanden sie heraus, dass nur MFN2 mit dem Proteasom interagiert und die schädliche Proteinansammlung verhindert. Dies hebt die spezialisierte Rolle von MFN2 in der Zellgesundheit hervor.
„Diese Proteinaggregate in den Zellen von CMT-Patienten zu sehen, war für mich ein echter Augenöffner“, sagt Maria-Bianca Bulimaga, eine Doktorandin an der Aging Graduate School in Köln. „Es hat mir noch einmal verdeutlicht, wie tief mitochondriale Prozesse in das Gleichgewicht von Proteinsynthese und -abbau involviert sind. Es ist etwas, das ich gerne weiter untersuchen möchte.“
Die Ergebnisse werfen auch weiterführende Fragen zur Rolle von MFN2 bei anderen Gesundheitszuständen auf. „Diese Studie legt nahe, dass die Funktion von MFN2 in der Proteinkontrolle auch für Krankheiten wie Fettleibigkeit relevant sein könnte, bei denen zellulärer Stress und Proteinfaltung eine wichtige Rolle spielen“, sagt Tânia Simões, eine weitere Autorin der Studie.
Für Selver Altin, einen ehemaligen Doktoranden, der an den ersten Phasen der Forschung beteiligt war, stellt die Studie einen wichtigen Meilenstein dar. „Es ist äußerst befriedigend, die Ergebnisse dieser Arbeit zu sehen, die ich während meiner Doktorarbeit angestoßen habe.“
Diese Entdeckung ist ein wichtiger Schritt, um zu verstehen, wie Mitochondrien zur Zellgesundheit beitragen. Dr. Escobar sieht in der weiteren Forschung Potenzial für neue therapeutische Ansätze. „Indem wir verstehen, wie MFN2 mit der zellulären Maschinerie interagiert, die die Proteinqualität aufrechterhält, könnten wir in der Lage sein, Behandlungen zu entwickeln, die schädliche Proteinaggregation verhindern und die neuronale Funktion schützen“, sagt sie.
Mit seiner fusionsunabhängigen Rolle bei der Aufrechterhaltung der Proteinqualität erweist sich MFN2 als entscheidender Akteur im Zellschutz. Diese Forschung ebnet den Weg für neue Strategien zur Bekämpfung von CMT und anderen neurodegenerativen Erkrankungen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartnerin:
Dr. Mafalda Escobar
E-Mail: mafalda.escobar[at]uni-koeln.de
Tel: +49 0221 478 84257
Presse- und Kommunikationsteam:
Dr. Tanio Calabrese
E-Mail: g.calabrese[at]uni-koeln.de
Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41467-025-56673-5