Mitochondriale Erkrankungen: Verlust eines Proteins eröffnet neue Therapiemöglichkeiten

04.03.2022 TopNews Discover Prof. Dr. Aleksandra Trifunovic

Eine mitochondriale Fehlfunktion führt zum Verlust von Purkinje-Zellen, was durch eine Verarmung der CLPP-Protease hinausgezögert wird. Querschnitt durch das Kleinhirn. Purkinje-Neuronen sind in weiß-grau dargestellt | ©AG Trifunovic

Ein Kölner Forschungsteam hat im Tiermodell nachgewiesen, dass der Verlust des Eiweißes CLPP mitochondriale Krankheiten lindert. CLPP gezielt zu hemmen könnte ein neuer therapeutischer Ansatz bei diesen Erkrankungen sein / Veröffentlichung in „Brain“

Mitochondrien sind die Kraftwerke unserer Zellen. Sie wandeln Nahrung in Energie um. Starke Funktionsstörungen des mitochondrialen Energieproduktionssystems (OXPHOS) führen zu mitochondrialen Krankheiten und Altern.Forscher:innen um Professorin Dr. Aleksandra Trifunovicam Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD der Universität zu Köln und des Zentrums für Molekulare Medizin Köln (CMMC) haben einen neuenAnsatzpunkte für Therapien von mitochondrialen Krankheiten in Gehirnzellen identifiziert.  Der Artikel „CLPP deficiency ameliorates neurodegeneration caused by impaired mitochondrial protein synthesis“ wurde in Brain veröffentlicht.

Etwa eine von 5.000 Personen ist durch mitochondriale Erkrankung beeinträchtigt. Mitochondriale Erkrankungen sind genetisch und klinisch unterschiedlich, und die Symptome variieren stark. Betroffen sind vor allem Organe, die einen hohen Energiebedarf haben, wie (Herz-)Muskulatur und das Gehirn. Derzeitige Behandlungsmöglichkeiten sind auf Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente beschränkt, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern, einen akzeptablen Gesundheitszustand aufrechtzuerhalten oder eine Verschlimmerung der Symptome in Zeiten physiologischer Belastung zu verhindern.

In einer vorangegangenen Arbeit hatte das Team um Trifunovic bereits gezeigt, dass der Verlust der mitochondrialen Matrixprotease CLPP positive Auswirkungen in Zellen hat, die Defekte im mitochondrialen Energieproduktionssystem (OXPHOS) haben. Die neue Studie untersuchte nun in Tiermodellen, ob der Wegfall von CLPP für verschiedene Arten von Nervenzellen, einschließlich Purkinje-Zellen im Kleinhirn und kortikale und hippokampale Neuronen im Vorderhirn, tatsächlich von Vorteil ist. „Wir konnten einen positiven Effekt sehen, wenn CLPP nicht mehr in den Gehirnzellen ist. Verschiedene Phänotypen, die Einschränkungen der Zellen bedeuten, wie beispielsweise der Zusammenschluss von mehreren Mitochondrien, fand nicht mehr statt“, sagt Anastasia Rumyantseva, Erstautorin der Studie. Zudem verzögert sich der Abbau von Nervenzellen, die einen Mangel im OXPHOS-System aufweisen, wenn CLPP in Zellen nicht vorhanden ist.  Dies wiederum führt zu einer geringeren Entzündungsreaktion und einer deutlichen Verbesserung der motorischen Funktionen.

„Unsere Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, die CLPP-Aktivität bei vielen anderen mitochondrialen Erkrankungen oder Schädigungen von Gehirnfunktionen, die durch OXPHOS-Instabilität gekennzeichnet sind, gezielt zu beeinflussen“, sagt Trifunovic. „Diese Arbeit zeigt einen klaren Weg für eine neue therapeutische Behandlung primärer mitochondrialer Erkrankungen, aber auch für andere Erkrankungen, die von einer Veränderung der mitochondrialen Qualitätskontrolle profitieren könnten, wie beispielsweile Alterung und metabolisches Syndrom.“

Mitochondriale Fehlfunktion, insbesondere die Instabilität der mitochondrialen OXPHOS, stehen in direktem Zusammenhang mit dem Altern. Das Forschungsteam kann sich daher vorstellen, dass CLPP-Protease-Inhibitoren in Zukunft auch zur Behandlung bestimmter altersbedingter Krankheiten eingesetzt werden könnten, die durch ähnliche Merkmale gekennzeichnet sind.


Original Publikation:

https://academic.oup.com/brain/article-lookup/doi/10.1093/brain/awab303


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