Protein-Atlas für längeres Leben

26.10.2017 TopNews Prof. Dr. Andreas Beyer Prof. Dr. Linda Partridge

Im Alter lassen viele Prozesse in den Zellen nach und das Risiko an altersbedingten Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Diabetes zu erkranken steigt dramatisch. Aber wirkt sich das Altern auf alle Organe und Gewebe gleichermaßen aus? Und sollten Medikamente, welche die Gesundheit im Alter verbessern sollen die gleiche Wirkung auf verschiedene Organe haben? Jetzt haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln in Fruchtfliegen zeigen können, dass Gewebe sehr unterschiedlich auf eine reduzierte Aktivität  des Insulin-Signalweges reagieren. Diese ist bekannt dafür die Lebensdauer in vielen Tieren, wie Fliegen und Mäusen und wahrscheinlich auch im Menschen zu erhöhen. Interessanterweise sind die verschiedenen Gewebe-Antworten alleine jeweils schon ausreichend die Lebensdauer zu verlängern. 

Wissenschaftler wissen schon seit vielen Jahren, dass eine verringerte Aktivität des Insulin-Netzwerkes die Lebenszeit verlängern kann und die Gesundheit im Alter verbessert. Aber bis jetzt ist es nicht klar warum das so ist. Das Insulin-Netzwerk reagiert auf Nährstoff-Verfügbarkeit und Stress und steuert essentielle Prozesse wie Entwicklung, Wachstum, Fortpflanzung und Lebensdauer. Um zu verstehen wie verschiedene Organe und Gewebe auf eine reduzierte Aktivität reagieren, hat eine Gruppe von Wissenschaftlern um Max-Planck-Direktorin Linda Partridge analysiert, welche Proteine bei verringerter Aktivität im Gehirn, Muskeln, Darm und Fettkörper der Fliege produziert werden. So haben sie einen Protein-Atlas entwickelt, der die Wirkung des Insulin-Signalwegs darstellt.

Gewebe reagieren unterschiedlich

„Wir haben eine Karte davon erstellt, welches Gewebe wie auf eine reduzierte Insulin-Netzwerk-Aktivität reagiert. Dabei haben wir gesehen, dass die Gewebe in der Fliege völlig verschieden reagieren. Es gab nur zwei Proteine von insgesamt 6000, die wir analysiert haben, die in allen Geweben gleich reguliert waren – alle anderen waren in verschiedenem Ausmaß spezifisch für ein Gewebe“, erklärt Luke Tain, Erstautor der Studie. „Zum Beispiel reagiert der Darm indem er vermehrt Proteine produziert, welche die Proteinqualitätskontrolle sicherstellen“. Allein diese Reaktion des Darms kann die Lebensspanne der Fruchtfliegen verlängern. Selbst ohne eine Verringerung der Insulin-Aktivität war eine Behandlung welche spezifisch eine verbesserte Proteinqualitätskontrolle im Darm zur Folge hat, in der Lage die Lebenszeit zu verlängern. Allerdings hat dieselbe Behandlung im Fettkörper der Fliege keine lebensverlängernde Wirkung.

Gewebespezifische pharmakologische Wirkstoffe

Diese Ergebnisse zeigen wie komplex und vielschichtig verschiedene Organe und Gewebe auf Behandlungen reagieren, die alternsassoziierten Erkrankungen vorbeugen sollen. „Unsere Studie eröffnet neue Möglichkeiten für die Präventivmedizin für Krankheiten im Alter. In Zukunft könnte ein Gewebe spezifisch mit einem Medikament angesteuert werden und davon würde dann der ganze Körper profitieren. Das könnte die Risiken für Nebenwirkungen senken und viele Leiden von älteren Menschen verbessern“, sagt Tain.

Luke S. Tain, Robert Sehlke, Chirag Jain, Manopriya Chokkalingam, Nagara Nagarajuna, Paul Essers, Mark Rassner, Sebastian Grönke, Jenny Froelich, Christoph Dieterich, Matthias Mann, Nazif Alic, Andreas Beyer, Linda Partridge
A proteomic atlas of insulin signalling reveals tissue-specific mechanisms of longevity-assurance
Molecular Systems Biology, Sep15, 2017