Unser Körper besteht aus einer Vielzahl von Zellen. Diese Zellen haben einen Zellkern, der die genetische Information in Form von DNA enthält. Im täglichen Leben werden unsere Gewebe, zum Beispiel Haut und Muskeln, gedehnt, gezogen und gestaucht, ohne die Zellen oder die DNA zu schädigen. Wie dieser Schutz erreicht wird, wurde von einem Forschungsteam unter der Leitung von Sara Wickström, vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns, CECAD und dem Helsinki-Institut für Biowissenschaften an der Universität Helsinki, in Zusammenarbeit mit Carien Niessen vom CECAD und der Universität zu Köln und Wissenschaftler*innen vom Forschungszentrum Jülich, dem Carnegie Mellon und dem Marie Curie Institut untersucht. Dieses multidisziplinäre Team hat nun entdeckt, dass sich die Zellen vor solchen Belastungen schützen, indem sie nicht nur die Zellkerne verformen, sondern auch das genetische Material selbst aufweichen.
Der Schutz des genetischen Codes innerhalb unserer DNA ist entscheidend für die menschliche Gesundheit. Mutationen in der DNA führen zu einer Vielzahl von Krankheiten, wie z.B. Entwicklungsstörungen oder Krebs. "Die meisten unserer Gewebe enthalten gewebespezifische Stammzellen, das sind langlebige Zellen, deren Funktion für die Gewebefunktion und -erhaltung entscheidend ist. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer ist es entscheidend, dass das Genom dieser Zellen wirksam vor Mutationen geschützt wird, um Krankheiten wie Krebs vorzubeugen", sagt Michele Nava, der leitende Wissenschaftler der Studie. "Es ist viel über die Rolle von Chemikalien und Bestrahlung bei der Erzeugung von DNA-Schäden bekannt, aber wie mechanische Kräfte die DNA schädigen und welche Mechanismen existieren könnten, um unsere Zellen vor diesen Schäden zu schützen, war bisher nicht bekannt", erklärt Nava.
Zellkern und DNA organisieren sich aufgrund mechanischer Kräfte um
Um zu untersuchen, wie die DNA in Stammzellen auf mechanische Verformung reagiert, setzten Nava, Miroshnikova und Kollegen ein spezielles mechanisches Gerät ein, um Haut- und Muskelstammzellen einer ähnlichen mechanischen Dehnung auszusetzen, wie sie im Inneren des Gewebes auftreten würden. Infolge der Dehnung wurden sowohl die Zellkerne als auch die DNA neu organisiert, veränderten aber auch ihre mechanischen Eigenschaften und wurden weicher. "Es war aufregend zu erkennen, dass wir die mechanischen Eigenschaften der DNA einfach dadurch verändern können, dass wir mechanische Kräfte auf die Stammzellen ausüben. Noch auffälliger war, dass, wenn wir diese Veränderung experimentell verhinderten, nun Schäden an der DNA der Stammzellen entstanden, was darauf hindeutet, dass wir einen wichtigen Schutzmechanismus entdeckt hatten", sagt Jekaterina Miroshnikova, die die Studie zusammen mit Nava und Wickström leitete.
Als Nava, Miroshnikova und ihre Kollegen den zellulären Mechanismus der Dehnungsreaktion von Stammzellen genauer untersuchten, stellten sie fest, dass sich das gesamte Gewebe bei längerer mechanischer Dehnung nach der Kraftrichtung ausrichtet. Diese Orientierung verhinderte eine Verformung des Zellkerns und seiner DNA und ermöglichte es den Zellen, ihren ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Diese Neuorientierung diente somit als langfristiger Schutz vor mechanischer Belastung.
Krebszellen zeigen eine gestörte Reaktion auf Dehnung
Die Forschenden stellten auch fest, dass Krebszellen weniger empfindlich auf mechanische Dehnung reagierten als gesunde Stammzellen, was auf Unterschiede in der Konzentration wichtiger Kernproteine zurückzuführen ist. "Es ist interessant festzustellen, dass zwei zentrale Merkmale, die Krebs definieren, ihre genetische Instabilität, d.h. die häufige Übernahme neuer Mutationen, sowie ihre Unempfindlichkeit gegenüber der Kontrolle durch extrinsische Signale sind. Ein wichtiges zukünftiges Ziel des Labors ist es, zu verstehen, wie Defekte in diesem neu entdeckten Signalweg die Krebsbildung fördern könnten und wie Krebsarten die Mechanik ausnutzen könnten, um den Kontrollmechanismen des Gewebes zu entgehen", sagt Sara Wickström.
Originalveröffentlichung:
Michele M. Nava, Yekaterina A. Miroshnikova, Leah C. Biggs, Daniel B. Whitefield, Franziska Metge, Jorge Boucas, Helena Vihinen, Eija Jokitalo, Xinping Li, Juan Manuel García Arcos, Bernd Hoffmann, Rudolf Merkel, Carien M. Niessen, Kris Noel Dahl, and Sara A. Wickström
Heterochromatin-driven nuclear softening protects the genome against mechanical stress-induced damage
Cell, April 2020
https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.03.052
Kontakt:
Sara Wickström, PhD
Group Leader
Max Planck Institute for Biology of Ageing, Cologne, Germany
und
Associate Professor
Helsinki Institute of Life Science, University of Helsinki, Finland
E-mail: sara.wickstrom@helsinki.fi
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