Gewebe schützen ihre DNA bei mechanischer Belastung

16.04.2020

Super resolution (upper row) and 3-dimensional electron microscopy (lower panel) images showing that stretch leads to the wrinkling of the nuclei and rearrangement of the DNA. These physical changes lead to nuclear softening and are required to protect the DNA from mechanical damage.

Zellkerne und genetisches Material organisieren sich neu

Unser Körper besteht aus einer Vielzahl von Zellen. Diese Zellen haben einen Zellkern, der die genetische Information in Form von DNA enthält. Im täglichen Leben werden unsere Gewebe, zum Beispiel Haut und Muskeln, gedehnt, gezogen und gestaucht, ohne die Zellen oder die DNA zu schädigen. Wie dieser Schutz erreicht wird, wurde von einem Forschungsteam unter der Leitung von Sara Wickström, vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns, CECAD und dem Helsinki-Institut für Biowissenschaften an der Universität Helsinki, in Zusammenarbeit mit Carien Niessen vom CECAD und der Universität zu Köln und Wissenschaftler*innen vom Forschungszentrum Jülich, dem Carnegie Mellon und dem Marie Curie Institut untersucht. Dieses multidisziplinäre Team hat nun entdeckt, dass sich die Zellen vor solchen Belastungen schützen, indem sie nicht nur die Zellkerne verformen, sondern auch das genetische Material selbst aufweichen.

Der Schutz des genetischen Codes innerhalb unserer DNA ist entscheidend für die menschliche Gesundheit. Mutationen in der DNA führen zu einer Vielzahl von Krankheiten, wie z.B. Entwicklungsstörungen oder Krebs. "Die meisten unserer Gewebe enthalten gewebespezifische Stammzellen, das sind langlebige Zellen, deren Funktion für die Gewebefunktion und -erhaltung entscheidend ist. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer ist es entscheidend, dass das Genom dieser Zellen wirksam vor Mutationen geschützt wird, um Krankheiten wie Krebs vorzubeugen", sagt Michele Nava, der leitende Wissenschaftler der Studie. "Es ist viel über die Rolle von Chemikalien und Bestrahlung bei der Erzeugung von DNA-Schäden bekannt, aber wie mechanische Kräfte die DNA schädigen und welche Mechanismen existieren könnten, um unsere Zellen vor diesen Schäden zu schützen, war bisher nicht bekannt", erklärt Nava.

Zellkern und DNA organisieren sich aufgrund mechanischer Kräfte um

Um zu untersuchen, wie die DNA in Stammzellen auf mechanische Verformung reagiert, setzten Nava, Miroshnikova und Kollegen ein spezielles mechanisches Gerät ein, um Haut- und Muskelstammzellen einer ähnlichen mechanischen Dehnung auszusetzen, wie sie im Inneren des Gewebes auftreten würden. Infolge der Dehnung wurden sowohl die Zellkerne als auch die DNA neu organisiert, veränderten aber auch ihre mechanischen Eigenschaften und wurden weicher. "Es war aufregend zu erkennen, dass wir die mechanischen Eigenschaften der DNA einfach dadurch verändern können, dass wir mechanische Kräfte auf die Stammzellen ausüben. Noch auffälliger war, dass, wenn wir diese Veränderung experimentell verhinderten, nun Schäden an der DNA der Stammzellen entstanden, was darauf hindeutet, dass wir einen wichtigen Schutzmechanismus entdeckt hatten", sagt Jekaterina Miroshnikova, die die Studie zusammen mit Nava und Wickström leitete.

Als Nava, Miroshnikova und ihre Kollegen den zellulären Mechanismus der Dehnungsreaktion von Stammzellen genauer untersuchten, stellten sie fest, dass sich das gesamte Gewebe bei längerer mechanischer Dehnung nach der Kraftrichtung ausrichtet. Diese Orientierung verhinderte eine Verformung des Zellkerns und seiner DNA und ermöglichte es den Zellen, ihren ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Diese Neuorientierung diente somit als langfristiger Schutz vor mechanischer Belastung.

Krebszellen zeigen eine gestörte Reaktion auf Dehnung

Die Forschenden stellten auch fest, dass Krebszellen weniger empfindlich auf mechanische Dehnung reagierten als gesunde Stammzellen, was auf Unterschiede in der Konzentration wichtiger Kernproteine zurückzuführen ist. "Es ist interessant festzustellen, dass zwei zentrale Merkmale, die Krebs definieren, ihre genetische Instabilität, d.h. die häufige Übernahme neuer Mutationen, sowie ihre Unempfindlichkeit gegenüber der Kontrolle durch extrinsische Signale sind. Ein wichtiges zukünftiges Ziel des Labors ist es, zu verstehen, wie Defekte in diesem neu entdeckten Signalweg die Krebsbildung fördern könnten und wie Krebsarten die Mechanik ausnutzen könnten, um den Kontrollmechanismen des Gewebes zu entgehen", sagt Sara Wickström.

 

Originalveröffentlichung:

Michele M. Nava, Yekaterina A. Miroshnikova, Leah C. Biggs, Daniel B. Whitefield, Franziska Metge, Jorge Boucas, Helena Vihinen, Eija Jokitalo, Xinping Li, Juan Manuel García Arcos, Bernd Hoffmann, Rudolf Merkel, Carien M. Niessen, Kris Noel Dahl, and Sara A. Wickström

Heterochromatin-driven nuclear softening protects the genome against mechanical stress-induced damage

Cell, April 2020

https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.03.052

 

Kontakt:

Sara Wickström, PhD

Group Leader
Max Planck Institute for Biology of Ageing, Cologne, Germany

und
Associate Professor
Helsinki Institute of Life Science, University of Helsinki, Finland
E-mail: sara.wickstrom@helsinki.fi
Tel: +358 2941 25640

 

Pressekontakt:

Dr. Maren Berghoff
PR Executive
Max Planck Institute for Biology of Ageing, Cologne, Germany
MBerghoff[at]age.mpg.de
+49 221 379 70 207