Genomforschung stellt sicher geglaubte Erkenntnis zur Vererbung in Frage: Der Körper beeinflusst die genetische Vererbung

23.07.2019

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde davon ausgegangen, dass der Körper keinen Einfluss auf die vererbten Gene ausübt. Das Erbmaterial wird von den Keimzellen –beim Menschen die Spermien und Eizellen– von Generation zu Generation weitergegeben. Der Körper habe keinen Einfluss auf die vererbten Genome, deshalb werden erlernte Fähigkeiten auch nicht genetisch vererbt. Seit nun über hundert Jahren gilt, dass die Genome der Keimzellen von Einflüssen des Körper bereits in der frühesten Entwicklung geschützt sind. Nun stellen neue Erkenntnisse des Forschungsteams um den Kölner Genomforscher Björn Schumacher diese Gewissheiten grundsätzlich in Frage.

Denn die Wissenschaftler am CECAD Exzellenzcluster der Universität zu Köln entdeckten dass Körperzellen, die in direktem Kontakt mit den Keimzellen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans stehen, für die Kontrolle der Stabilität der Genome in Keimzellen verantwortlich sind. Alle Keimzellen, ob Spermien oder Eizellen, stammen von Urkeimzellen ab, die in der frühen Embryonalentwicklung entstehen. Das Genom der Urkeimzellen ist besonders gut vor Beschädigungen geschützt. Denn Schäden treten ständig in der DNA auf. Nicht nur Umwelteinflüsse, sondern selbst Nebenprodukte des Energiestoffwechsels beschädigen die molekularen Strukturen des Genoms in jeder Zelle. Schäden in Keimzellen sind besonders gefährlich, denn sie könnten vererbt werden und zu schweren Erbkrankheiten führen. Deshalb überwachen Keimzellen ihr Genom auch ganz besonders genau. Tritt ein Schaden auf, teilen sich Urkeimzellen nicht, bis er repariert worden ist. DNA Schäden spielen eine fundamentale Rolle bei der Abnahme der Fertilität während des Alterns, denn beschädigte Keimzellen können keine Nachkommen hervorbringen.

Bisher ging man davon aus, dass die Checkpoints, mit denen sich Keimzellen vergewissern, dass ihr Genom frei von Schäden ist, von diesen Zellen vollkommen autonom gesteuert werden. Diese Einsicht stellt Schumachers Team nun grundsätzlich in Frage. Die Stabilität der Urkeimzellen wird streng überwacht, denn aus ihnen gehen sämtliche Keimzellen und damit auch sämtliche Genome hervor, die vererbt werden. Die Untersuchung der Urkeimzellen bei Säugern wie dem Menschen ist hochkompliziert, deshalb untersucht Schumacher die Urkeimzellen des einfachen Fadenwurms. Der Wurm verfügt über die gleichen Systeme zur Überwachung und Reparatur des Genoms wie der Mensch und ist deshalb für die Forschung von großer Bedeutung. Der ganz junge Fadenwurm hat zwei Urkeimzellen, aus denen sämtlich Spermien und Eizellen des Tieres in seiner späteren Entwicklung gebildet werden. Wenn die Genome dieser Urkeimzellen beschädigt sind, teilen sie sich solange nicht, bis die Schäden repariert sind. Die Urkeimzellen müssen einen Checkpoint passieren, bei dem festgestellt wird, ob ihr Genome frei von Schäden ist.

Diese neuen Erkenntnisse lassen dem Körper eine maßgebliche Rolle zukommen, wenn es darum geht die erbliche genetische Information zu überwachen. Diese neuen Erkenntnisse könnten auch dabei helfen die Ursachen für Unfruchtbarkeit besser zu verstehen.

Veröffentlichung:
Somatic niche cells regulate the CEP-1/p53-mediated DNA damage response in primordial germ cells.
Ou HL, Kim CS, Uszkoreit S, Wickström SA, Schumacher B
Developmental Cell 50, 1–17, July 22, 2019. doi.org/10.1016/j.devcel.2019.06.012

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